KENNWORT STERNENHIMMEL

Der Linzer Komponist und Musikpädagoge Erland M. Freudenthaler legt erste lyrische Texte vor.
Artikel von: Dr. Peter Kraft, Linz 1996

Wenn ein praktizierender Musiker, gar ein Komponist, Lyrik schreibt, so hat er gegenüber anderen Poeten seines Genres die Gabe voraus, dass er seine Gedichte wie eine objektivierte Vokalmusik spricht und hört, demnach modifiziert er nur den Vorgang des Komponierens, indem er Sprache als Partitur zu Papier bringt. Schrift - und Hörbild sind ihm eine alternative Ausfaltung der rein klanglichen Komposition.

So wird auch die individuelle Ästhetik des musikalschen Lyrikers oder lyrischen Musikers (Lyriker-Musiker) gewisse Grundzüge zeigen, die sich abheben von großen Feld jener anderer Autoren, die "nur" wortkreativ oder kritisch mit der Sprache umgehen. [...]
Die Sammlung seiner lyrischen Texte konfrontiert mit dem Spiel von Wirklichkeit und künstlerisch geschaffener Scheinwelt. Fiktion und Täuschung bilden eine zweite Wirklichkeit, die sich bereits abgehoben hat aus der Sphäre einer ersten naiven und gegenständlichen Sinneserfahrung. Sprache und Schrift werden in dieser zweiten Welt als autonome Darstellungsmittel angesehen.
Ein erstes Charakteristikum der neuen Lyrik von Freudenthaler ist Sparsamkeit. Aussparen und Weglassen meißeln das auf dem Papier Verbliebene nur umso schärfer heraus.
Es gibt beispielsweise in allen Gedichten nur eine einzige wörtliche Anspielung darauf, dass der beschworene Sternenhimmel eigentlich ein schwarzer Vorhang mit Löchern ist, und das spitze, glitzernde Sternenlicht kommt von "Starken Scheinwerfern" auf der anderen Seite des Vorhangs. Es läßt klassische Stern(e)bilder durch die Schwärze leuchten.
Der reale Sternenhimmel wird benannt mit Worten wie "Bär" (Der Lyriker selbst?), "Leier" (Die Musik?), "Orion" ("schnallt den Gürtel enger") und "Wassermann" (Sternbild seiner Tochter Marlene). Es begegnet auch [...] ein "Schwarzes Loch" neben der uralt-vertrauten "Sternenstraße", "The dark Side of the Moon", der "Vulkanfriedhof" des Alls, "glühende Lava / ... unter Wolken aus Ruß und Staub /". [...]
Das "Sternbild" im Sammeltitel des Gedichtbandes steht für 5 Gedichte in engerem Zusammenhang: "NACH STERNE SUCHT". Ihm zeigt sich ein Firmament, "Nadelgepolstert / nähmaschinengenagelt / und mottengelocht / Eine Fliege kommt durch / der Sterneblitz schickt / die Flügel zur Faltung". Der Nachthimmel gibt sich nochmals zu erkenne als "Ein gespickter Nadelpolster / auf löchrigen Plakaten vor Neonwänden /". [...]
Die Worte sind zeichenlose Zeichen, Schemen, Idole, Geistererscheinungen einer Beschwörung, die ständig bei sich selber bleibt und dadurch fremder (Verständnis-)Hilfe verlustig geht. Wer den "Orion im Fernglas" schaut ist nicht sicher, obe er nicht zuvor auf die schwarze Decke stößt: "Das Blut zerstochener Fakire ist das / Leben hinter dem Vorhang." [...]
In seiner Gedichtesammlung STERNEBILDER entwickelt er ganz eigene neue Bedeutungslabyrinthe. Dabei verselbständigen sich die Sprachgebilde.
Die Positionierung, auch räumliche Isolierung des Ausdrucks auf der leeren, weißen Fläche macht die Gestaltung des Autors auch in besonderem Maße visuell. Jedes Gedicht ist eine Wortzeichnung, Graphik aus Buchstabenhäufungen und wenigen dichten, "lichteren" Wortreihen. Jeder lyrische Text hat so auch einen akustischen Körper wie er auch optische Körpersprache hat.
Zusammenfassend kann von einem geglückten ersten Versuch gesprochen werden: Einem leitmotivischen Titel STERNEBILDER sind die Sternbildfiguren am schwarzen nachthimmel, nicht nur ihre täuschenden Ähnlichkeiten auf Erden (Beziehungsgeflechte, vernetzte Lebensstrukturen), zugrundegelegt. Die Lichtpunktationen stehen für die Abstraktion menschlicher Mythen. [...]
Der Lakonismus größerer und kleinerer Titeleinheiten, die Kühnheit manch eines aufs äußerste verknappten Bildes oder Vergleiches leuchten ein. [...]